Unerklärlicher Tod einer eritreischen Familie
©: Bögel VKZ
Trauerfeier Enz
Als Herr Zeyher (Dekan) anfragte, ob der AK Asyl Vaihingen gemeinsam mit dem ACK, also den christlichen Kirchen Vaihingens, eine kleine Gedenkfeier gestalten würde, war ich zunächst skeptisch. Das Ereignis, ein erweiterter Suizid einer eritreischen Mutter mit ihren beiden kleinen Kindern hatte bei mir und allen im AK tiefstes Entsetzen ausgelöst, geradezu Schockstarre. Der Verstand weigerte sich, so etwas zu erfassen, das Gefühl konnte ich nicht ausdrücken, denn es war nicht nur tiefe Trauer, sondern eine Mischung aus allem, irrational und gleichzeitig mit einer großen Portion Wut durchsetzt – auch wenn der Verstand sagte, dass das nicht sein darf. Und da ich überzeugt war, dass es vielen so geht, konnte ich mit der Vorstellung einer kleinen, quasi internen Feier wenig anfangen. Spontan kam ich mir vor, als würden wir uns aus der Verantwortung schleichen, uns drücken, denn die Fragen: „Wo wart ihr? Was macht ihr eigentlich? Warum habt ihr das nicht verhindert?“ kamen auf mich und natürlich den AK Asyl zu. Dass es alle anderen Beteiligten z. B. der Stadt und der Sozialarbeit DRK genauso traf, war kein Trost.
Nach langen Diskussionen v. a. innerhalb meiner Familie, mit den Integrationsbeauftragten und unseren AK-Mitgliedern hat sich meine Sicht der Dinge deutlich geändert und ich bin sehr froh, dass wir Gelegenheit zu dieser kleinen und wahrhaft stillen Feier haben. Die Wut über die Tat, die für mich durch nichts in der Welt zu rechtfertigen ist, wich der Erkenntnis, dass unvorstellbare Verletzungen und schwerste seelische Schäden für die Mutter keinen anderen Ausweg mehr zuließen, als gemeinsam aus der Welt zu scheiden und damit die Kinder vor Schlimmeren zu bewahren. Und wenn diese Traumata nicht offenbart werden, weil die Betroffenen selber es nicht können oder wollen, bleiben wir chancenlos. Wir waren da, aber wir konnten nicht sehen. Wir müssen aber sehen und akzeptieren, dass unsere Mittel und Möglichkeiten sehr begrenzt sind. Für uns heißt das, mit dieser Erkenntnis fertig zu werden, das verlangt Abstand, Zeit, Unterstützung. Wir brauchen es, um ohne Angst weiter arbeiten zu können. Und für diese Verarbeitung wäre eine große, öffentliche Feier nicht möglich gewesen, wäre viel zu früh gekommen, sie hätte die Betroffenen wahrscheinlich überfordert. Es hat nichts mit Verantwortungslosigkeit oder Feigheit zu tun, schon gar nicht mit Gefühlskälte – im Gegenteil. Ich weiß, dass wir diesen Ort hier als Unterstützung für uns brauchen und aufsuchen werden, da ist die Ruhe und Möglichkeit zur Besinnung. Deshalb stehen wir gerne dazu.
Die Beisetzungsfeierlichkeiten nach orthodoxem Ritus werden stattfinden in einer katholischen Kirche, der Ort muss geweiht sein. Sie wird gemeinsam mit Vertretern der syrisch-orthodoxen und koptischen Kirchen zelebriert. Danach werden die Leichen nach Eritrea überführt. Coronabedingt ist die Teilnehmerzahl stark begrenzt, aber alle, die den Wunsch haben sich in stillem Gedenken zu verabschieden, können es dann an diesem Ort hier an der Enz tun. (Bilder s. unten)
(Text: Büscher, AK Asyl / Bild: © van Bergen)